Schwetzinger Zeitung vom 18.10.2010
Allerlei „Vissimadende“ beim Mundartnachmittag – oder wie ein Nachttopf den Wecker ersetzte
„Newedro unn Iwwerzwerch“ – unter diesem Motto stand kürzlich ein Sonntagnachmittag in der Aula der Schiller-Schule, der dem kurpfälzer Dialekt mit all seinen Facetten gewidmet war.
Charly Weibels Verbindungen zu Künstlern der Walldorfer Mundartszene war es zu verdanken, dass diese Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Kulturkreis der Gemeinde Reilingen zustande kam, und die Besucher in der voll besetzten Aula einen äußerst unterhaltsamen und kurzweiligen Nachmittag erlebten.
Bürgermeister Walter Klein erläuterte in seiner Begrüßung zunächst den Begriff „iwwerzwerch“, was soviel wie verkehrt oder verdreht bedeute, bei Wikipedia sogar mit „übermütig“ übersetzt werde, bevor der Reilinger Charly Weibel eine musikalische Liebeserklärung an seinen Heimatort mit dem Lied „isch werr niemols Eskimo“ abgab und den Besuchern mit seinem kürzlich preisgekrönten Titel erklärte, warum „mir sinn halt all sou wie mir sinn“. Natürlich durfte auch die berühmte Kuchenspezialität, der „Reilinger Keeskuche“ nicht fehlen, diesen gab es allerdings zum Bedauern vieler Zuhörer lediglich akustisch, dafür aber zum Mitsingen.
Jürgen Herrmann, der Vorsitzende des Walldorfer Heimatvereins, bezeichnete in seiner anschließenden Begrüßung die Pflege der Mundarten in ihrer Vielfalt als kostbares Kulturgut, dessen Erhaltung eine wichtige Aufgabe sei.
Der Mundartpreisträger 2002 und 2003 im „Bereich Szene“, Gustl Riemensperger spielte und inszenierte unter anderem die Mundartszenen „Kartoffelsalad“, der am besten schmeckt, wenn er mit den Händen angemacht und „schmotzig“ ist, die „große kurpfälzische Liebeserklärung“ und wie „de Herbert“, der ehemals trinkfreudige Stammtischbruder, trocken wurde.
Einen kurpfälzer Ohrenschmaus bot Beate Lesser mit ihrem Ensemble „Sapperlot!“. Begleitet von Bernt Glatz (Violine), Gerhard Lesser (Resonata-Gitarre und Mandoline) und Jochen Scheuermann (Kontrabass) sang sie Eigenkompositionen im Blues-Rhythmus im Walldorfer Dialekt. Beim „Schnookeblues“ erlebte man so die nervtötende nächtliche Jagd auf die stechenden Biester, die einem den Schlaf rauben und bei ihrer Version von Gershwins summertime „Summerzeit“ fühlte man sich wie in einer lauen Nacht am Fluss.
Corinne Faure-Schleich, eine gebürtige Französin und Klaus Bruckner brachten „franzeesische Iwwerbleibsel“ in unserer Mundart mit und ließen die Zuhörer deren deutsche Bedeutung nennen, wie den „Paraplü“ (Regenschirm), das „Waschlavor“ (Waschschüssel) und den „Scheesewarre“ (Kinderwagen). Großes Gelächter kam auf beim Erraten des „Bottschambers“ (Nachttopf), als der Zuruf aus dem Publikum ertönte „unn wann der voll isch, isch sechse!“
Bei einer Mundartveranstaltung in Reilingen durfte auch Charly Weibels „uff’m Friedhouf“ nicht fehlen, begleitet vom Ensemble „Sapperlot!“ an diesem Nachmittag eine ganz neue Version.
Wie im Fluge verging dieser kurzweilige, unterhaltsame Nachmittag, der mit dem gemeinsam zur Melodie „geh aus mein Herz“ gesungenen Lied „Mir sinn im schääne Land dahäm“ ausklang.