Schwetzinger Zeitung, Samstag, 22.10.2016
Die Asche des Onkels kräftig gewürzt
Michelfelders: Mit humorvollen Liedern bringt Charly Weibel regionale Kultur und Mundart gekonnt in die Enderlegemeinde / Unterhaltsam selbst im Makabren
Von unserem Mitarbeiter Markus Mertens
Aus Fans sind längst Freunde des Mundartkünstlers Charly Weibel (v. l.) geworden: Martin Zimmermann, Gabriele Zund-Igbinedion und Sonja Zimmermann.
Mit seiner Gitarre brachte Weibel aber auch neue Zuhörer zum Schmunzeln, Lachen und bisweilen gar zum Nachdenken.
Ketsch. Charly Weibels Musik ist wie ein guter Wein: geschmackvoll, stilecht und von kompromisslos guter Machart. Jeder Song wie ein Tanz der Zunge im weiß-roten Traubensaft. Warum also nicht beide vereinen zu einem Abend, der „Bei Michelfelders“ alles werden sollte – nur nicht weinselig? Denn prallvolle Reihen hatten sich entschlossen versammelt, um musikalische Mundart vom Feinsten zu erleben, zu der das flüssige Glück aus der Pfalz die geschmackvolle Dekoration bot. Wenn das kein Fest der Sinne ist!
Doch so ist das eben, wenn die „Mundart aussem Lehwe“ antritt, um sich ihren Weg ins Herz ohne jeden Umweg zu bahnen. Da ist keine unnötige Ecke in den Textzeilen zu erkennen – wenn Weibel mit seiner Gitarre ansetzt, tropft die Seele nur so in die Musik hinein. Da wird aus „Heile, heile Gänschen“ ein kraftvoll-emotionales „Es geht vorbei“ und Elton Johns „Your Song“ kurzerhand als Mundart-Liebeslied für die Holde aus der Region entlehnt.
Unverklemmt authentisch darf man das nennen, aber auch mutig. Weshalb? Der Silvanus Secco zum käseüberbackenen Flammkuchen ist kaum verzehrt, da leistet der Reilinger Mundart-Sänger schon Abbitte – und zwar neben Sex, einem Haus und Kuchen von so ziemlich allem. Sein einziger Wunsch? „Isch hab’s doch gsot: Gellariewesalot!“ Da hat Weibel die Lacher für sich – und wird dabei doch nie profan. Denn nur, weil man ihn und die Inhalte seiner Lieder auf Anhieb versteht, verliert er sich dabei nie im Banalen.
Vielfach ausgezeichneter Barde
Stattdessen verbindet der vielfach ausgezeichnete Mundart-Barde Texte, die in Erinnerung bleiben, mit einer harmonischen Melodik, die Ohrwurmpotential hat. Da muss sich niemand wundern, dass bei Weitem nicht nur die eingefleischten Fans an diesem Abend bald schon mitsingen, denn Anknüpfungspunkte bietet der galante Sprachkönner nun wirklich genug. Bleibt allein die Frage nach dem Humor: Hat Weibel denn nur Lach- oder aber auch Sachgeschichten mit dabei?
Einen kräftigen Schluck Cabernet Blanc vom Weingut Alfred Schwaab und ein Biss in das feine Kräuterbrot später, ist die Antwort nicht mehr fern: Weibels Lieder sind beides. „Des Pierssing in de Gosch“ der Jugend, Billy Joels „Piano Man“, den der Sänger zum „Gitarr-Mann“ umwidmet, das Bekenntnis, auf Wasser auch gerne verzichten zu können, wenn der liebe Wein nur nah genug ist („Isch brauch kä Wassa“) – all das ist Lokalkolorit.
Doch es ist Lokalkolorit im besten Sinne, weil regionale Lebens- und Sprachgeschichte in herrlich unbeschwerte Geschichten gekleidet werden, die selbst dann noch schmunzeln lassen, wenn es eigentlich schon kritisch wird. Beispiel gefällig? Neun schöne Dosen bekommt der Protagonist eines Songs aus den USA von seiner Tante zugeschickt. Was da wohl drin wär‘? Von Mehl bis Gries – die schönsten Köstlichkeiten zum Kochen. Nur der Inhalt einer Dose riecht irgendwie „nach eigeschlafene Fies“! Wohlan, da muss nur richtig Gewürz mit Zwiebeln dran! Bis man, also dann, gleich merken kann: Die Asche wars, vom verstorbenen Onkel – Mann! Schelmisches Augenzwinkern
Dass man selbst über solch morbiden Scherze ohne schlechtes Gewissen lachen kann, hat man dem schelmisch-kongenialen Augenzwinkern des Charly Weibel zu verdanken. Nie weiß man ganz genau, was Ernst und was Scherz ist, und genau das bewahrt Spannung und Stimmung zu jedem erdenklichen Zeitpunkt. Auch Sonja und Martin Zimmermann genießen mit Gabriele Zund-Igbinedion die Shows von „ihrem Charly“ mit größter Freude. „Das ist einfach großartig, mit was für einer Leidenschaft er das macht“, erklären sie im Gespräch und liefern den Grund für ihre Anreise aus Reilingen gleich selbst: „Auch, wenn man drei oder vier Mal da war – es ist immer etwas Neues mit dabei und man verliert das Lachen einfach nie.“ Worte, die keiner näheren Deutung bedürfen.
Auf diesen berührenden Kommentar schnell einen Schluck aromatischen Weißburgunder von Gerhard Hauck zum Minibrötchen, und auf in die letzte Runde. Die, in der nicht nur klar wird, dass „s Hochdeitsch kronk, hässlisch un klää“ macht, sondern auch die erste Jeans aus den 70ern ihre belebte Hommage erfährt, und damit durchaus auch lebensphilosophische Anklänge durchkommen. Was Weibel übrigens wiederum stärkt. Denn so leicht sein Set dem geneigten Zuhörer auch erscheinen mag – Tiefsinn und Interpretationsspielraum ist zwischen den Noten seiner Lieder allemal genug, das zeigt nicht zuletzt das anrührende Lied für seine Großmutter, die ihn ursprünglich zur Mundart brachte.
Humorvoll Richtung Friedhof
Doch genug nun mit den Lobgesängen. Denn bevor Charly Weibel die Party ein letztes Mal humorvoll Richtung Friedhof verlegt („Uffm Friedhof is‘ was los“), darf der schmackhafte Schluck des Weinguts Gross aus Dornfelder und Sauvignon noch die Kehle hinunterperlen. Doch bitte bloß nicht zu hastig über die Pfälzer Perle hermachen, denn Charly Weibel braucht Sie doch noch, um auch in Zukunft ein begeistertes Publikum zwischen Gellarieb und purem Glück beseelt nach Hause zu entlassen.