Schwetzinger Zeitung, Montag, 17.08.2015
Mit „Geelariewesalohd“ aufs Treppchen
Mundart in Reilingen: Charly Weibel hat den zweiten Platz beim Wettbewerb „De Gnitze Griffel“ gewonnen / Mit uns spricht er über die Fremdsprache Hochdeutsch und seine Anfänge
Von unserem Redaktionsmitglied Vanessa Schäfer
Reilingen. Preisgekrönt für seine Muttersprache: Im Mundartwettbewerb „De Gnitze Griffel“ hat der Reilinger Charly Weibel in der Kategorie „Lieder“ den zweiten Platz belegt. Die Entscheidung sei der Jury nicht leichtgefallen, heißt es in einer Pressemitteilung des Regierungspräsidiums, deren Arbeitskreis Heimatpflege alle zwei Jahre den Preis ausschreibt. Zwischen den Rap „Do gher ma no“ (erster Platz) und „Monchmol om Rhei“ (dritter Platz) gesellte sich die Nummer „Geelariewesalohd“ des Reilingers. Den Preis nimmt Charly Weibel im Oktober im Bruchsaler Bürgerzentrum entgegen. Wir haben uns vorab mit ihm unterhalten.
Herr Weibel, der zweite Preis beim Mundartwettbewerb „De Gnitze Griffel“: Wie sind Sie zu Mundartliedern gekommen? Sie waren doch lange mit „Jezebel’s Tower“ in der Rockschiene tätig.
Charly Weibel: Während der Zeit mit „Jezebel’s Tower“ habe ich jemanden in Mundart singen hören und mir gedacht: Das kann ich besser. Mit dem Keyboarder meiner Band habe ich dann unsere Jezebel’s-Tower-Ballade „Friends“ mit dem Mundart-Titel „En Freund fass Lehwe“ eingespielt, aus „Deep in me“ wurde „Dief in mir“. Daraus habe ich dann eine Maxi-CD gemacht, vier Songs, zwei in Reilingerisch, zwei in Englisch. Damit fing alles an. Es hat einfach funktioniert.
Erfolgreich, wenn man sich Ihren zweiten Preis anschaut?.?.?.
Weibel: Ja, ich habe jetzt schon dreimal am „Gnitze Griffel“ teilgenommen. Jedes Mal in der Sparte „Lied“. Ohne Musik hätte ich mich da nie ran getraut. 1989 habe ich mit „En Freund fass Lehwe“ den ersten Preis gewonnen, 2009 mit „Mir sinn hald all sou wie ma sinn“ den dritten.
In der Reihe macht sich der zweite Preis ja richtig gut?.?.?.
Weibel: Ja, das ist was ganz Tolles. Der „Gnitze Griffel“ ist so etwas wie der Oscar für Mundart-Liedermacher. Ich freue mich wie Sau.
Ihr Lied „Geelariewesalohd“ hat sich gegen die Lieder der Mitbewerber durchgesetzt. Wieso haben Sie sich bei der Bewerbung für diese Nummer entschieden?
Weibel: Ich habe mich eigentlich mit dem Lied „Imma weida“ beworben, weil ich gedacht habe, dass das ein richtig gutes, schönes Lied ist. Das gefällt mir selbst. Man musste aber zwei Stücke einreichen. Also habe ich „Geelariewesalohd“ mitgeschickt und der hat die Jury wohl beeindruckt. Mein Favorit hat es nicht geschafft?.?.?.
Worum geht es im Siegersong?
Weibel: Das Lied hat nicht viel Sinn. Es geht eigentlich nur darum, dass man „Geelariewesalohd“ gern isst. Das andere eingereichte Lied hat dagegen Tiefsinn. Es handelt vom Abschiednehmen, von einem endgültigen Abschied mit der Option, dass danach vielleicht doch noch etwas kommt.
Was können Sie in Reilingerisch besser ausdrücken als in Hochdeutsch?
Weibel: Alles. Dialekt ist die Sprache, mit der man aufwächst, das ist die Heimat. Für Hochdeutsch muss ich im Kopf immer erst das, was ich sagen will, für mich übersetzen. Reilingerisch dagegen geht direkt aus dem Bauch raus, da braucht es keinen Filter.
Gibt es Situationen, in denen Sie sich auch in Hochdeutsch ausdrücken?
Weibel: Bei Sitzungen versuche ich mich in einer Annäherung an Hochdeutsch, so dass mich auch andere verstehen können. Aber letztendlich kann ich nur zwei Weltsprachen: Englisch und Kurpfälzisch. (lacht)
Wie fühlen Sie sich, wenn Sie Hochdeutsch sprechen?
Weibel: Ich fühle mich nicht so frei. Man wird dadurch automatisch in eine Richtung geleitet, die einen einengt, und tut sich schwer. In Dialekt kann man halt äfach schwätze.
Wissen Sie schon, was Sie mit dem Preisgeld für den zweiten Preis anstellen?
Weibel: Ich habe gerade eine neue CD gemacht. „Johr um Johr“. Da muss ich noch ein bisschen etwas bezahlen. Außerdem braucht ein Musiker immer neue Instrumente. Wobei die Frage ist, ob er sie wirklich braucht. (lacht) Aber für mich ist jede Gitarre anders, mit jeder habe ich einen anderen Bezug zu der Musik, die ich mache. Das Preisgeld fließt also wieder in die Musik.
Kennen Sie die Beiträge der Kollegen, die ebenfalls gewonnen haben, oder lernen Sie diese erst bei der Preisverleihung kennen?
Weibel: Die Voraussetzung für die Teilnahme am Wettbewerb ist, dass es sich bei den eingereichten Liedern um unveröffentlichtes Material handelt. Daher kenne ich die Beiträge nicht. Aber ich freue mich sehr auf Joy Fleming, die der Topact des Abends sein wird. Ich bin gespannt, so eine Frau mit so einer grandiosen Stimme kennenzulernen.
Gibt es auch eine Frage, die Sie ihr gern stellen würden?
Weibel: Wenn ich mich traue, werde ich sie fragen, ob sie auf meiner nächsten CD mitsingen will.
Es heißt ja immer, dass Dialekte vom Aussterben bedroht sind. Können Sie uns drei gefährdete Wörter nennen?
Weibel: „Hutschebiss“ zum Beispiel. Damit gemeint ist, wenn einem jemand mit zwei Fingern in den Oberschenkel zwickt. Oder „alleritt“ für „immer wieder“. Ein drittes Wort ist „Krotzisch“, also das, was am Ende von Obst und Gemüse übrig bleibt, das, was man nicht mitisst.
Nur in der Sprache ist Heimat – so sieht es Mundart-Kabarettist Hans-Peter Schwöbel. Können Sie das unterschreiben?
Weibel: Ja klar. Heimat ist Sprache und umgekehrt. Ich mag alle Mundart-Größen der Region so wie Chako Habekost und Hans-Peter Schwöbel. Er zeigt, dass es im Dialekt auch anspruchsvoll geht?.?.?.
.?.?. wobei mit Dialektsprechenden ja häufig auch das Wort „Bauer“ assoziiert wird.?.?.
Weibel: Man kann hinter der Sprache eben viel verstecken.?.?.
Zur Person
Charly Weibel, eigentlich Karl Weibel, ist 58 Jahre alt, verheiratet, hat zwei Töchter und einen Enkel.
Der Reilinger arbeitet als Polizeioberkommissar beim Polizeiposten Neulußheim.
Seit über 20 Jahren ist Charly Weibel als Mitglied der SPD im Reilinger Gemeinderat, seit 2007 für die Sozialdemokraten im Kreisrat tätig.
Musikalische Bekanntheit erlangte der Reilinger durch seine Rockband „Jezebel’s Tower“, die von 1992 bis 2003 bestand. Im Oktober 1995 trat Jezebel’s Tower sogar beim Skip-Rock-Festival in Bukarest im Vorprogramm von Iron Maiden auf.
Neben der Musik gehören Joggen und Radfahren zu den Hobbys des 58-Jährigen.