Schwetzinger Zeitung vom 19.07.2005
Mundart-Nachmittag im historischen Engelhof
Von Deftikkeiten und Nachdenklichem / Dialekt mehr als nur eine Sprache
Die Reilinger „Sprooch“ gehört rein sprachwissenschaftlich betrachtet zum kurpfälzischen oder auch badisch-pfälzischen Sprachraum, der wiederum eine Untergruppe der zur rheinfränkischen Dialektgruppe gehörenden vorderpfälzischen Dialekte ist, und zugleich die einzige rechtsrheinische Dialektgruppe des Pfälzischen darstellt.
Eine Betrachtungsweise des heimischen Dialekts, die beim jüngsten Mundart-Nachmittag im historischen „Engelhof“ aber keinen der vielen Zuhörer so wirklich interessierte.Wer trotz der hochsommerlichen Temperaturen gekommen war, der freute sich auf die „Gedichtlin, Gschichde und Liedä“, wie sie vom Mundart-Stammtisch im Vorfeld der Veranstaltung schließlich angekündigt worden waren.
Wie vielschichtig und abwechslungsreich die heimische Mundart sein kann, wurde bei den einzelnen Auftritten immer wieder deutlich. Da war Mannemer-Reilingerisch ebenso zu hören wie das Neu-Reilingerisch mit schwäbisch-moselfränkischen Untertönen. Und ehe die wirklich echte „broade Reilingä Muddersprooch“ zu vernehmen war, gab es sogar einen Vortag eines Reilinger aus Hinterpommern. Egal, wie nun die einzelnen Geschichten, Gedichte und Lieder auch klangen, das Publikum hatte seine Freude daran.
Auch kein Wunder, denn bereits der Einstieg in die örtliche Mundart war vom einstigen teils deftigen dörflichen Charakter geprägt, der sich wie ein roter Faden durch den weiteren Nachmittag ziehen sollte. Mit dem Vortrag „S’Pisshaisl“ machte Toni Kellner die Notwendigkeit eines öffentlichen Pissoirs oder „Abbords“ in der Reilinger Dorfmitte deutlich. Und wenn schon mal bei diesem Thema, fragte er sich weiter, warum „das Loch“ zum Boss der Organe wurde.
Klar, dass nach einem eher nachdenklichen Blick auf die Gesundheit der preisgekrönte Mundartsänger Charly Weibel das passende Lied mitgebracht hatte. Verschmitzt hatte er den Menschen wieder mal „aufs Maul“ geschaut und sang von seinen Erlebnissen im Wartezimmer eines Arztes. Ein Lied voller Vorurteile, die er aber auch gleich wieder verwarf, fand ebenso den Beifall des Publikums wie sein von Dankbarkeit und Liebe geprägten musikalischen Erinnerungen „An mei Oma“.
Dazu passten gut die einfühlsamen Gedichte von Gaby Feth-Biedermann über die „Anna“ mit ihren melancholischen Herbstgedanken oder die „Winter-Zeit“.
Die „Probleme des Adam“ mit seiner Ripp, dem zänkisch Reff, hatte Hilde Kief für diesen Mundart-Nachmittag ausgewählt. Und ihre regionale Betrachtung „Wo de Storch die Kinner hiebringt“, hatte sie von der Oftersheimerin Else Geiger übernommen. Für die Anwesenden war es ein köstliches Vergnügen zu erfahren, wie die einzelnen Orte und deren Bewohner zu ihren noch heute bekannten Utznamen kamen. Warum die Schwetzinger zu den Schlossgartenschisser wurden, war ebenso zu erfahren wie der Hintergrund der Brühler Kollergrotten oder der Ketscher Hewwl. Auch die Nachbarn aus der Rennstadt bekamen dabei ihr Fett ab: „Doofer Blick und grob gebaut, des gibt Hoggemer Sauerkraut.“
Für das pommersche Reilinger Original Siegfried von Sagunski war ein Schlachtfest im früheren „Hirsch“ eine besondere Erinnerung wert. Und so wusste zum Schluss seiner Ausführungen jeder ganz genau, „der dümmste Wirt in Reilinge, der hot die dickschde Sau“.
Dies war natürlich keine Anspielung auf den Auftritt von Otmar A. Geiger, der zunächst die Dialektvielfalt beleuchtete, um dann von den Problemen eines Reilingers in der Maiandacht zu berichten, nachdem er „dicke Buuhne“ gegessen hatte. Nicht minder sarkastisch auch die „Gschichd vun de Wellblechdos“ oder die Erfahrungen einer armen Frau mit den lieben Menschen vom Finanzamt. Und am Ende der Veranstaltung schmiss der Heimatforscher schließlich noch den Riemen auf seine Drehorgel, um mit dem gemeinsam gesungenen „Badner Lied“ einen Nachmittag ausklingen zu lassen, der wieder einmal bewies, dass man sich in seiner heimischen Sprache, also mit Dialekt und gepflegter Mundart, erst so richtig gut unterhalten kann.