Schwetzinger Zeitung vom 13.10.2008
Wenn Zwei nicht gleich Zwei ist
Heimatgeschichte, Brauchtum und Traditionen haben derzeit Hochkonjunktur, und damit eng verbunden natürlich auch die Rückbesinnung auf den heimischen Dialekt – die Muttersprooch. Im Gespräch untereinander werden dabei Unterhaltungen und Begrifferklärungen möglich, wie dies die hochdeutsche Schriftsprache nie ermöglichen, oft sogar nicht einmal zulassen würde. Wer dann aber meint, Kenner der heimischen Sprache, des kurpfälzischen Dialekts zu sein, dem wird bereits nach wenigen Minuten bewusst, dass eigentlich jeder Landstrich, meist sogar jeder Ort „seine“ eigene Färbung und Ausdrucksweise hat.
Und manchmal geht das sogar soweit, dass, wie am Sonntagnachmittag im „Schillercafé“ des Reilinger Kulturkreises „Kultur im Dorf – Dorfkultur“ in der Aula der Friedrich-von-Schiller-Schule zu hören, selbst ein einziges Wort gleich drei unterschiedliche Aussprachen haben kann. Und wie gern die Menschen inzwischen Mundart-Veranstaltungen haben, machte der große Andrang deutlich. Schnell waren alle Plätze belegt, so dass noch viele weitere Stühle aus Klassen- und dem Lehrerzimmer geholt werden mussten.
Kein Wunder, denn immerhin standen mit den Mundartsängern Wolfgang Danner und Charly Weibel zwei einheimische Künstler auf der Bühne, die in der Spargelgemeinde längst einen Kultstatus haben. Und mit dem vielfach preisgekrönten Literaten Thomas Liebscher durfte zudem ein wahrer Wortkünstler im „Schillercafé“ begrüßt werden.
Obwohl in dieser Besetzung noch nie gemeinsam auf der Bühne anzutreffen, vereinigten sich die einzelnen Beiträge – egal ob nun gesungen oder gesprochen – zu einem Gesamtkunstwerk der Muttersprache mit deutlichen Anklänge und Einflüsse von „Monnem“ bis „hinnerm Wald und Brusel“.
Und so abwechslungsreich wie die Texte, Lieder oder „Uffschnappsel“ waren, so vielfältig waren auch die damit ausgedrückten Stimmungen. Ob nun Momente des Nachdenkens, ja fast leichter Schwermut wie bei den sentimentalen Erinnerungen an „moi Oma“ von Charly Weibel, oder das scheinbar mit wohlbedachter Leichtigkeit von Thomas Liebscher zu Papier gebrachte „Gebabbel vun de Fraa Appel“ – in der Aula lauschten die fast 200 Zuhörer schier atemlos den einzelnen Vorträgen. Aber spätestens bei der wahren Erkenntnis, der für die Menschen typischen Quintessenz heimatlichen Sprachwitzes unterbrach herzhaft-freudiges Lachen den Moment. Und es waren deren viele, denn jeder der drei Akteure verstand es glänzend, seinen Humor in der „Muddersprooch“ zu verpacken. So auch der eigentlich aus Mannheim stammende, aber selbst nach 20 Jahren sprachlich noch immer nicht zum echten Reilinger gewordenen Wolfgang Danner, der davon zu singen wusste, dass „moi Nachdhemd heeßt Pyjama“.
Es war ein wunderbar leichter, zugleich aber auch poetischer, vor allem aber wohlklingender Nachmittag, der keine Langeweile aufkommen ließ. Und weil die drei Kulturkreis-Organisatoren Andrea Ballreich, Sabine Petzold und Otmar Geiger die Veranstaltungsreihe bewusst in eine scheinbare Caféhaus-Atmosphäre platziert haben, kam als weiterer Genuss noch viele leckere Kuchen und Torten aus heimischer Küche dazu. Hatte der Förderkreis der Schillerschule die Bewirtung übernommen, sorgte Heidi Klett für die Moderation der Veranstaltung. Und sie war vielleicht die größte Entdeckung an diesem Nachmittag, denn charmant und wie von leichter Feder plauderte sie „uff reilingerisch“ zum ersten Mal auf der Bühne. Und auch die Doppelmoderation mit Bürgermeister Walter Klein, der sich eigentlich nur bei den Künstlern bedanken wollte, dann aber spontan beim wohl schwierigsten aller Reilinger Sprachtests mitwirkte, wurde zu einem vom Publikum mit viel Beifall aufgenommenen Spracherlebnis. Denn seit dem frühen Sonntagabend wissen auch die „Zugreiste“, dass in der Spargelgemeinde zwei nicht gleich zwei ist und von der interfamiliären Geschlechterverteilung abhängig ist: „Zwee Männer, zwuu Frooe und zwo Kinner!“