Museum im Astorhaus

Walldorf – „Newedro unn iwwerzwersch“ – unter diesem Slogan hatten die Vereinigung Walldorfer Heimatfreunde und das Forum 84 am vergangenen Sonntag zum Mundartabend ins Museum im Astorhaus eingeladen. Bereits kurz nach Beginn des Kartenvorverkaufs war die Veranstaltung ausverkauft, und so fanden sich rund 100 Gäste – „Walldörfer unn Auswerdische“ – im großen Ausstellungssaal zusammen, um dem kurzweiligen Programm mit Texten, Szenen, Liedern und Gedichten zu lauschen.

Den Auftakt machte der Mundart-Liedermacher Charly Weibel aus Reilingen, der die Lacher gleich zu Beginn auf seiner Seite hatte, als er dem Publikum mitteilte, dass er „vunn weit weg“ käme. Mit seinem Lied „Isch wärr niehmols Eskimo, do isch’s imma so kalt em Klo“ lieferte Weibel eine humoristische Liebeserklärung an seine Heimatregion, die Kurpfalz.

Jürgen Herrmann, Vorsitzender der Heimatfreunde, kritisierte in seiner kurzen Begrüßung die mangelhafte Pflege und Förderung der Mundart. Er gab den Stab weiter an Gustl Riemensperger, der bemängelte: „Beruf, Karriere, Globalisierung, Medien – die Mundart hat’s schwer.“ Dennoch sei es nicht möglich, gebildet zu sein, ohne Pfälzisch – allein das Fluchen auf Pfälzisch wäre wesentlich befreiender als in einer anderen Sprache oder einem anderen Dialekt. Mit einer Kurzgeschichte von August Heinrich – besser bekannt als „Bellemer Heiner“ – untermalte Gustl Riemensperger diese These und ging in der Folge auf die Herkunft des „Kurpfälzischen“ ein. Kurpfälzisch ist im Gegensatz zu beispielsweise Sächsisch oder Bayerisch ein politischer Ordnungsbegriff und keine Abgrenzung, die auf alten germanischen Stämmen und deren Dialekten beruht. Am ehesten ist der Dialekt der Kurpfalz als „Rheinfränkisch“ zu bezeichnen. Abschließend zitierte Riemensperger den Mannheimer Mundartdichter Hanns Glückstein, der feststellte: „Kurpfälzisch isch die schwerscht Sprooch. Mir schreiwe Pferd und sage Gaul.“

„Mir sinn halt all so wie ma sinn“, lautete das Plädoyer von Charly Weibel für ein tolerantes Miteinander und einen fairen Umgang, der die Eigenheiten der Menschen respektiert. Mit einem Lied über die Vorzüge der Oma, die die Kinder schon mal bis in die Nacht Fernsehen schauen lässt, endete der erste Block der „Reilinger Lieder“.

„Jede Region liebt ihren Dialekt, sei er doch eigentlich das Element, in welchem diese Seele ihren Atem schöpfe“, war schon Johann Wolfgang von Goethe klar. Dialekte stiften laut Jürgen Herrmann lokale und regionale Identität, ebenso wie vertraute Straßenzüge, Gebäude oder Personen. In der Frankfurter Allgemeinen war vor kurzen zu lesen, dass das Dialekt-Sprechen sogar im Beruf von Vorteil sein kann – es kommt dabei allerdings auf die Branche an. In der Finanzbranche ist nach wie vor Hochdeutsch, auf dem internationalen Parkett Business Englisch gefragt. Hierbei fehlte auch nicht der Seitenhieb auf die Finanzjongleure der Lehman Bank.

Das „Ensemble Sapperlot!“, bestehend aus Beate Lesser, Gitarre, Jochen Scheurmann, Kontrabss, Bernt Glatz, Geige, und Gerhard Lesser, Steel Guitar, konnte mit einer Version von Gershwins „Summertime“ das Publikum begeistern – übersetzt ins Kurpfälzische. Daneben ließ der „Schnooke Blues“, eine Eigenkompositon von Beate Lesser, kein Auge trocken. In Walldorf kennt wohl jeder die kleinen lästigen Stechmücken, die so manchen Sommerabend im Garten zur Tortur machen können.

Wie man einen richtigen kurpfälzischen „Kardoffelsalad“ zubereitet, erklärte der gestresste Hausmann Gustl Riemensperger einer Dame vom Rathaus in einem ausführlichen Telefonat. Dass hierbei die Schüssel mit einer Knoblauchzehe auszureiben sei und auch Muskatnuss sowie ein Spritzer Maggi nicht fehlen dürften, wurde vom Hobbykoch energisch vertreten. Am wichtigsten war jedoch seine Schlussbemerkung: „Uff kon Fall Mayonees!“

Nach der Pause thematisierte Charly Weibel in seinem Lied „De Gwinn“, den wichtigsten Programmpunkt des regionalen Vereinslebens, die Tombola. Diese beschert dem Spender nicht selten den selbst „großzügig“ zur Verfügung gestellten „Gwinn“ als Preis, den man am liebsten nicht mit nach Hause nehmen würde. Mit „Mei erschdi Jeans“ sprach der Reilinger vielen Gästen aus der Seele, die ihre erste blaue Hose ebenfalls gegen die Ablehnung der Erwachsenen verteidigen mussten.

Corinne Faure-Schleich, gebürtige Französin, und Klaus Bruckner stellten dem interessierten Publikum dann zahlreiche Gegenstände vor, deren Dialekt-Wörter ursprünglich aus dem Französischen stammen. So heißt beispielsweise der Nachttopf in der Kurpfalz „Botschamber“, hergeleitet aus dem Französischen „pot de chambre“, Zimmertopf. Das „Waschlavoir“ ist ein Ensemble aus Wasserkrug und Schüssel für die tägliche Körperpflege, wobei der Begriff eigentlich doppelt gemoppelt ist, meint doch das französische „lavoir“ an sich schon „waschen“. Die Verletzung bzw. das Verletzen, französisch „blesser“, wurde im Kurpfälzischen zur Blessur – und noch weiter abgeleitet zum „Bletz“.

Für viele Lacher sorgte die Geschichte von Hannes, der einem chinesischen Gast in einer Walldorfer Kneipe sein „Kurpfälzer Liebes-Epos“ vorstellt – quasi „vunn Kulturvolk zu Kulturvolk“. Der Chinese leidet in dieser Szene erlebbar unter dem Dialekt, ebenso wie unter dem exzessiven Genuss von Weißburgunder.

Mit dem Schlusslied „Uffem Friedhouf“ lobte Charly Weibel den kommunikativen Charakter dieser Institution. Der Friedhof sei als Treffpunkt eine klare Alternative zu Kneipe und Theater und das „Zentrum uns’rer Kommunikation“. Die leicht schwarzhumorigen Anklänge kamen beim Publikum bestens an.

Nach einem gemeinsamen Lied auf Kurpfälzisch und dem Dank an die Mitwirkenden durch Jürgen Herrmann konnten die durchweg begeisterten Gäste nach einem informativen und sehr kurzweiligen Abend ihren Heimweg antreten.