Rhein-Neckar-Zeitung vom 13.09.2001
Hochdeutsch wäre ja richtige Arbeit
Der Reilinger Charly Weibel singt „uff Dialekt“ und hat Erfolg damit
Von Jutta Lang
Reilingen. Charly Weibel singt in „denne zwei Weltsproche ‚ die er nach eigenem Bekunden am besten kann: „Englisch“ und „reilingerisch“. Für das Zweite, seine Lieder in Mundart, hat der Sänger gerade einen Preis gewonnen. Der Siegertitel handelt davon, dass der Friedhof ein wichtiges Kommunikationszentrum im Gemeindeleben ist, wo man immer hingehen kann und wo man immer das Neueste erfährt. Unsere Mitarbeiterin Jutta Lang traf sich mit Charly Weibel „uffem Friedhouf“, um Neues vom und über den Musiker zu erfahren Eigentlich heißt er gar nicht Charly, sondern Karl Weibel. Aber weil es in seinem Umfeld viele Karls gegeben habe, sei er schon früh zum „Charly“ geworden, ergänzt der Reilinger Das Umfeld ist für ihn Überhaupt etwas sehr Wichtiges: „Ich bin absolut in Reilingen verwurzelt. Ich kenne die Leute hier und habe einen ganz anderen Bezug zu allem, als wenn es anonym wäre wie in einer Großstadt. Charly Weibel ist in Reilingen aufgewachsen, er ist Ortspolizist, Gemeinderat im örtlichen Gremium und Bürgermeisterstellvertreter. Nebenbei macht er seit seiner Jugend Musik. Er ist Frontmann der Rockformation Jezebel’s Tower.
Zur Mundart kam der Musiker erst vor gut zwei Jahren. Dafür lief es dann umso einfacher und glatter. „Bei einem Text im Dialekt muss ich gar nicht nachdenken, wie ich etwas ausdrücke. Das läuft von ganz alleine, die Worte kommen von innen heraus. Würde er einen Text in Hochdeutsch machen, müsste er quasi übersetzen, sagte der 44-jährige. Mundartlieder gehen hopladihopp. Reilingerisch fühlen und denken und dann hochdeutsch singen, das wäre fast schon Arbeit. Aber frei von der Leber wegsingen, also in Mundart, das gehe hopladihopp. „Es gibt Lieder, dafür habe ich gerade mal eine halbe Stunde gebraucht, um sie aufs Papier zu bringen. Und dennoch. hat es lange gedauert, bis sich die Mundart in seiner Musik durchsetzen konnte. „Ich habe den Wunsch, in Dialekt zu singen, schon Jahrzehnte in mir rumgetragen, bevor es dann endlich Realität wurde. 1999 setzte sich der heimliche Wunsch dann doch durch. Der Keyboarder von „Jezebel’s Tower“ habe eine Melodie geschrieben. Weibel habe zwei Texte darauf gemacht, einen englischen und einen in Mundart. Der reilingerische Titel lautete „En Freund fass Lehwe“.
Weibel bewarb sich mit dem Erstlingswerk beim Mundartwettbewerb des Regierungspräsidiums Karlsruhe – und gewann den ersten Platz. „Das war Anerkennung und Ansporn zugleich sagte der Reilinger. Er sammelte Material, komponierte innerhalb kürzester Zeit 20 Lieder, wählte elf davon aus und machte eine CD. „Wenn mir was liegt, dann geht es oft sehr schnell – das ist mein Glück“, erzählt Charly Weibel, denn sich mühselig etwas erarbeiten zu müssen, das sei nicht seine Stärke. Als Jugendlicher habe er in der Rockband noch E-Gitarre gespielt, aber er habe schnell gemerkt, dass er das nicht kann „Ich bin, glaube ich, der schlechteste Gitarrenspieler der Welt. 20 Lieder innerhalb kürzester Zeit, wo nimmt man da die Themen her? „Das ist überhaupt kein Problem. Ich schreibe über das, was sehe.“ Charly Weibels Lieder handeln ‚vom „Kommunikationszentrum“ Friedhof, dem „Schrank vun meine Froh“, von der „Kerwe“, vom „Reiinga Keeskuche“, vom „Gemeinderohd“ und anderen Alltäglichkeiten.
„Um Themen zu finden, muss ich nicht aus Reilingen rauskommen, ich muss nur meine Augen aufhalten. Schmunzelnd fügte er hinzu: „Alles Wesentliche passiert in Reilingen. Man müsse nur erkennen, dass jede Kleinigkeit spannend und wichtig sein könne, je nachdem, wie gut man sie verpacke. Was Charly Weibel gar nicht mag, sind „Weltschmerzsachen“ wie etwa “ Warum können nicht alle in Frieden leben?“. Das sei ihm zu Nicole-mäßig. Er erzählt lieber Geschichten oder hört anderen zu, wenn sie erzählen. Ich finde, jeder sollte mal zu einem Mundart-abend gehen. Es ist sehr spannend, wenn die Künstler aus dem Leben erzählen.“
Als er 1999 zum Abschlusskonzert des Mundartwettbewerbs nach Ettlingen gefahren sei, habe er gedacht, jetzt erwartet ihn ein Abend der Volksmusik . Aber ich war angenehm überrascht. Es habe allerhand Kritisches gegeben, und die Beiträge seien durch die Bank weg hörenswert gewesen. Der Mundartwettbewerb des Regierungspräsidiums wurde bereits zum 14. Mal vom Arbeitskreis Heimatpflege ausgelobt. Schirmfrau ist Regierungspräsidentin Gerlinde Hämmerle in ihrer Funktion als Vorsitzende des Arbeitskreises. Insgesamt werden Preisgelder in Höhe von 5000 Mark vergeben, aufgeteilt auf die Gewinner in den drei Kategorien Lied, Lyrik und Prosa. Mit dem Wettbewerb will der Arbeitskreis den Sinn für Heimatsprache und Dialekt lebendig halten und die Menschen ermuntern ihren Dialekt zu sprechen. In den letzten Jahren sei die Zahl der Teilnehmer kontinuierlich gestiegen, war aus Regierungspräsidium zu erfahren. In diesem Jahr waren es 109 Mundartkünstler, die ihren Hut in den Ring geworfen haben. Die achtköpfige Fachjury hat in einem anonymisierten Verfahren die Preise vergeben. Wie schwierig diese Aufgabe war, zeigt allein Tatsache, dass mehrere Plätze doppelt oder sogar dreifach belegt wurden. Charly Weibel teilte sich in der Sparte Lied mit Marco Mora aus Baden-Baden den zweiten Platz. Ebenfalls sehr erfolgreich war der Hockenheimer Thomas Liebscher, der mit seinem Gedicht „Juni“ in der Sparte Lyrik den ersten Preis wann. Für ihn war es nach 1994 und 1997 bereits die dritte Auszeichnung beim Mundartwettbewerb. Am 21. September werden die Preise im Rahmen eines öffentlichen Mundartabends, in Kooperation mit dem Radiosender Südwestrundfunk (SWR 4 Baden-Baden) entsteht, vergeben. Der Ort der Austragung stehe noch nicht fest. Dass die Wahl. auf den Reilinger Friedhof als „Zentrum unsrer Kommunikation fällt, ist eher unwahrscheinlich.
Hier noch ein Pressefoto der Preisverleihung und meiner ersten Begegnung mit Gustl Riemensperger, dem ich sehr viel zu verdanken habe: